Dysfunktionale Digitalisierung legt Praxen lahm
KV Hamburg beteiligt sich an Aktion „PraxenKollaps – Praxis weg. Gesundheit weg!“
Digitale Anwendungen müssen funktionieren - sonst legen sie die Praxen lahm, anstatt die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu erleichtern. Das fordert die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) von Politik und Industrie. „Die Digitalisierung der ambulanten Versorgung muss die Arbeitsabläufe in den Praxen sinnvoll unterstützen und entlasten, damit wieder mehr Zeit für Diagnostik und Behandlung bleibt“, sagt Caroline Roos, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KVH – „das ist aber bisher keineswegs der Fall.“
Bisher, so Roos, haben digitale Anwendungen wie der Stammdatenabgleich oder die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hauptsächlich bei Krankenkassen und Arbeitgebern zu effizienteren Verwaltungsabläufen und damit zu Einsparungen in Millionenhöhe geführt. „Die Praxen ächzen hingegen unter dem zusätzlichen Arbeitsaufwand, der durch die aufgezwungene Nutzung von neuen – vor Einführung unausgereiften – Anwendungen entsteht.“ Die Vertragspraxen widersetzten sich grundsätzlich nicht der Digitalisierung, leiden aber unter abstürzenden Systemen und politischer Gängelung. „Dadurch entsteht Frust – und es geht viel wertvolle Behandlungszeit verloren.“
Damit geplante Anwendungen wie das eRezept, die elektronische Patientenakte oder der elektronische Medikationsplan nun endlich auch einen Mehrwert für Patienten und Praxen bringen, müssten jetzt die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, erläutert Roos. „Erstens muss die Technik reibungslos funktionieren, denn unausgereifte Hard- und Software kosten Zeit, Geld und Nerven und führen letztlich zu Ablehnung. Bei Anwendungen wie dem eRezept müssen vor Einführung ausreichende Lasttests durchgeführt werden, damit der Server bei bis zu 1,5 Mio. eRezepten täglich nicht in die Knie geht und Praxen bei der Patientenversorgung lahmlegt. Zweitens darf der Gesetzgeber gerade bei noch anfälliger Technik nicht mit Sanktionen drohen – Ziel der Politik muss es sein, Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten als Verfechter und Multiplikatoren der Digitalisierung zu gewinnen. Und drittens muss die Refinanzierung der notwendigen Hard- und Software für die Praxen kostendeckend und unbürokratisch erfolgen.“
Anders als vorgesehen, so Roos, würden die Pauschalen für die Finanzierung der IT die Kosten nur teilweise decken. Unberücksichtigt bleiben z. B. Ausfälle bei technischen Störungen und notwendige Schulungen der Teams. „Statt des bürokratischen und am Ende unzureichenden Finanzierungskonzepts des Gesundheitsministers schlägt die KV Hamburg eine kostendeckende Quartalspauschale vor.“ Finanziert werden könnte die Pauschale aus den Einsparpotenzialen, die die Digitalisierung den Krankenkassen beschert. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung McKinsey beziffert diese auf 42 Milliarden Euro bundesweit.
„PraxenKollaps – Praxis weg, Gesundheit weg!“ – Bundesweite Aktion der Kassenärztlichen Vereinigungen
Die KV Hamburg hat diese Pressemitteilung im Rahmen der bundesweiten Aktion aller Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) unter dem Titel „PraxenKollaps – Praxis weg, Gesundheit weg!“ veröffentlicht. Seit dem 7. August veröffentlichen alle KVen gleichlautende Pressemitteilungen in ihren Bundesländern, um auf die akut gefährdete Situation der ambulanten Versorgung aufmerksam zu machen. Hintergrund sind die Finanzierungsverhandlungen auf Bundesebene, die am 9. August gestartet sind. Mehr Informationen dazu finden Sie auf der Website der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.