Viele Praxen in Hamburg geschlossen – Lauter Protest gegen Lauterbachs Sparpolitik
Zahlreiche Praxen sind am Mittwochvormittag in Hamburg geschlossen geblieben – aus Protest gegen die Sparpolitik des Bundesgesundheitsministers. Rund 1300 Ärztinnen und Ärzte samt Praxisteams nahmen an einer Fortbildungsveranstaltung mit dem renommierten Referenten für Notfallmedizin Dr. Sven-Peter Augustin in den Räumlichkeiten der KV Hamburg teil: „Der Notfall in der Praxis – die Praxis als Notfall?“ Die Fortbildungsveranstaltung fand während der regulären Praxisöffnungszeiten statt. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten Transparente, mit denen sie auf die verheerenden Folgen einer fehlgeleiteten Politik aufmerksam machten.
Dr. Dirk Heinrich, Vorsitzender der Vertreterversammlung der KV Hamburg, sagte: „Die Größe des Protestes zeigt, dass der Unmut in den Praxen riesig ist. Super-Inflation, Super-Energiepreise, Super-Budget – für alles müssen die Ärztinnen und Ärzte geradestehen. Jetzt will Lauterbach auch noch die Neupatientenregelung kippen – und der Versorgung damit zusätzliche Mittel entziehen. Zuerst fordert der Bundesgesundheitsminister, dass die Praxen fünf zusätzliche Sprechstunden anbieten – wir liefern, und jetzt sollen die dafür so dringend benötigten Mittel einfach gestrichen werden. Wenn er so weitermacht, wird es die ambulante Versorgung, so wie wir sie in Deutschland kennen, bald nicht mehr geben. Die Leidtragenden sind letztendlich die Patientinnen und Patienten. Aber Lauterbachs Politik ist auch ein verheerendes Signal an den ärztlichen Nachwuchs.“
Dr. Claudia Haupt, niedergelassene Kinder- und Jugendärztin in Hamburg sagte: „Auch die Patientinnen und Patienten der Haus- und Kinderarztpraxen haben von der Neupatientenregelung profitiert - es wurden zusätzliche schnelle Termine zur Verfügung gestellt und zahlreiche neue Patientinnen und Patienten aufgenommen. Rund ein Fünftel unserer abgerechneten Leistungen bekommen wir nicht bezahlt – das sind unhaltbare Zustände. In Zeiten wachsender Versorgungsbedarfe, steigender Gehälter und Mieten, hoher Inflation, explodierender Energiekosten und zunehmender Bürokratisierung werden immer mehr Arztsitze unbesetzt bleiben. Die Neupatientenregelung war ein Schritt in die uns Hausärzten zugesagte und im Koalitionsvertrag vorgesehene Entbudgetierung. Ihre Streichung wird dazu führen, dass viele Patientinnen und Patienten – ganz besonders in strukturschwächeren Stadtteilen – keine Praxis mehr finden.“
Dr. Andreas Bollkämper, niedergelassener Facharzt für Radiologie in Hamburg, sagte: „Durch die Neupatientenregelung haben viele Praxen mehr Termine zur Verfügung gestellt, ihre Sprechzeiten ausgeweitet, die Wartezeiten verkürzt. Das wirkte sich sehr gut auf die Zusammenarbeit von Haus- und Fachärzten aus, da bei Überweisungen die Patientinnen und Patienten zeitnah weiterbehandelt werden konnten. Lauterbachs Plan, die Regelung jetzt wieder zu kippen, führt unweigerlich zu Leistungskürzungen – für viele Patientinnen und Patienten eine Katastrophe.“
John Afful, Vorstandsvorsitzender der KV Hamburg, sagte: „Es ist unsäglich, dass der Bundesgesundheitsminister auf ein Einnahmenproblem in der Gesetzlichen Krankenversicherung mit Leistungskürzungen für Patientinnen und Patienten reagiert. Er sollte sich vielmehr um eine solide Finanzierung der Versorgung einer älter werdenden Gesellschaft bemühen. Die Neupatientenregelung war ein richtiger Schritt in die richtige Richtung – ihr Ende schwächt die ambulante Versorgung statt sie zu stärken.“
Zum Hintergrund: Die Neupatientenregelung war von Karl Lauterbachs Vorgänger im Amt, Jens Spahn, im Jahr 2019 als Teil eines umfassenden Reformpaketes eingeführt worden. Die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten wurden dazu verpflichtet, gleichzeitig ihre Sprechstunden auszuweiten, offene Sprechstunden einzurichten, mehr schnelle Termine anzubieten und zusätzliche Neu-Patienten aufzunehmen. Im Gegenzug erhalten die Praxen seither die Vergütung für diese Fälle extrabudgetär, also ohne Zwangsrabatte und Abschläge. Lauterbach hat damals als Bundestagsabgeordneter dieses Gesetz vollumfänglich mitgetragen, ja gefordert. Lauterbach plant jetzt, diese Regelung mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz zu streichen. Auf einer Sondersitzung hatte die Vertreterversammlung der KV Hamburg beschlossen, ein Protest-Komitee zu installieren und Protestmaßnahmen durchzuführen.