Zur Startseite
Klicken, um zum Anfang der Seite zu springen
09.02.2017

Flexible Lösungen für die ärztliche Tätigkeit in Stadt und Land

Wenn es um die Frage der Vereinbarkeit von ambulanter Sicherstellung und den Erwartungen der nachrückenden Ärztegeneration geht, dann sind vor allem Flexibilität und Gestaltungsspielraum gefragt. Das ist die Quintessenz des 2. Hamburger Versorgungsforschungstages „Eros Arzt und Arbeitswelt 4.0 – Neue Ansprüche an die ambulante Versorgung“, der gestern in Kooperation von den KVen Hamburg (KVH) und Schleswig-Holstein (KVSH) in Hamburg durchgeführt wurde.

Die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin Kristin Alheit wies in ihrem Grußwort auf die Notwendigkeit hin, in der ambulanten medizinischen Versorgung flexible Konzepte zu verfolgen. Es gebe angesichts eines sich abzeichnenden Mangels an Ärztinnen und Ärzten in der Fläche in den kommenden Jahren erhebliche Herausforderungen zu bewältigen. "Gute Lösungen für eine flächendeckend hochwertige Versorgung, ob in Schleswig-Holstein oder andernorts, müssen immer so gedacht und gemacht werden, dass sie attraktiv für Medizinerinnen und Mediziner sind."

Die Hamburger Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz, Cornelia Prüfer-Storcks, zeichnete in ihrem Grußwort ein positives Bild der Versorgung in Hamburg, wies aber darauf hin, dass neue Strukturen notwendig seien und die Zusammenarbeit von ambulantem und stationärem Sektor stärker ausgebaut werden müsse. „Junge Medizinerinnen und Mediziner entscheiden sich heute seltener für eine eigene Einzelpraxis. In der ambulanten Versorgung boomen vor allem kooperative Strukturen. Gemeinschaftspraxen machen es möglich, die administrativen Tätigkeiten gemeinsam zu organisieren und sich Kosten zu teilen. Die Behandelnden gewinnen dadurch mehr Zeit für den Kontakt zum Patienten. Solche Kooperationen stärken zudem die fachliche Zusammenarbeit zwischen den Heilberufen“, so Senatorin Prüfer-Storcks.

Dr. Monika Schliffke, Vorstandsvorsitzende der KVSH, sagte, in Schleswig-Holstein komme es vor allem darauf an, gezielt auf die Bedürfnisse der jungen Ärztegeneration einzugehen: "Flexible Formen der ärztlichen Praxistätigkeit, neue Kooperationsmodelle, auch Lösungen gemeinsam mit Kommunen: Gerade im ländlichen Raum müssen wir neue Wege gehen, damit dort auch in Zukunft genügend Ärzte praktizieren."

Walter Plassmann, Vorstandsvorsitzender der KVH, wies darauf hin, dass es Aufgabe des KV-Systems sei, die Attraktivität der Selbständigkeit und der Niederlassung in freiberuflicher Praxis stärker in den Fokus zu rücken. „Das System der Selbstverwaltung und seine vielen Vorteile sind noch zu wenig unter den Studenten und Ärzten in Weiterbildung bekannt. Das müssen wir ändern, damit die Niederlassung stärker bei der beruflichen Planung berücksichtigt wird.“

Die Veranstaltung näherte sich ihrem Gegenstand sowohl von wissenschaftlicher als auch von praktischer Seite und brachte die beteiligten Interessengruppen – Studenten, (junge) Ärzte in Niederlassung, Krankenhausärzte und Vertreter der Selbstverwaltung und der Politik – an einen Tisch. Ziel des Kongresses war, auf der Basis des aktuellen Standes der Versorgungsforschung nach Lösungen zu suchen, die gewährleisten, dass individuelle Lebens- und Arbeitskonzepte sich mit dem umfassenden gesellschaftlichen Auftrag der medizinischen und psychotherapeutischen Sicherstellung vereinen lassen. Dafür hatte das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) in einer von der Apobank unterstützten Fokusgruppenstudie ermittelt, welche Anforderungen unterschiedliche Peergroups an das System stellen. Die Ergebnisse wurden von Dr. Dominik Graf von Stillfried, dem Geschäftsführer des Zi, vorgestellt. Hierbei kam unter anderem heraus, dass neben finanziellen Aspekten auch die persönliche Lebensplanung und die Rahmenbedingungen der Berufsausübung immer stärker in den Fokus individueller Entscheidungen rücken. Je nach individueller Situation bevorzugen die Befragten dabei die Gestaltungsmöglichkeiten und Flexibilitäten einer inhabergeführten Praxis oder die größeren Sicherheiten im Angestelltenverhältnis.

Der wissenschaftliche Leiter und Moderator der Veranstaltung, Professor Dr. Marcus Siebolds, erläuterte die gesellschaftliche Rolle des Vertragsarztes, die durch Eros und Ethos geprägt sei – seine Gemeinwesenbindung, also gesellschaftliche Verpflichtung, gepaart mit dem individuellen Fallverstehen in der Zusammenarbeit mit dem Patienten seien die zentralen Voraussetzungen für die hohe Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland.

In seinem Schlusswort stellte Dr. Dirk Heinrich, der Vorsitzende der Vertreterversammlung der KVH, klar, dass niemand außer der verfassten Ärzte- und Psychotherapeutenschaft die medizinische Versorgung der Bevölkerung in dieser Weise sicherstellen könne. Hierzu würde eine adäquate Vergütung gehören und die Erkenntnis der Politik, dass dirigistische Eingriffe kontraproduktiv seien. Aufgabe der  Selbstverwaltung sei es hingegen, künftig noch stärker eigene Lösungen für die versorgungstechnischen Herausforderungen der Zukunft zu erarbeiten.